Foto: Jörg Lipskoch

Ein klarer Morgen im Januar. Die Wintersonne quält sich mühsam durch den morgendlichen Nebel über der Peißnitz und der Ziegelwiese. Auf dem Teich, aus dem im Sommer die Fontäne in den Himmel schießt, hat sich seit einigen Tagen eine Eisschicht gebildet. Sie treten an das Ufer heran: Ob das Eis trägt? Stabil sieht es ja schon aus. Ein paar Steine liegen auf der Eisfläche. Leute haben offenbar erfolglos versucht es einzuwerfen. Sind die Schollen auf der Oberfläche Splitter aus dem Teich oder haben Kinder sie aus den Pfützen gebrochen und aufs Eis geschmissen? Dort sind Kufenspuren zu sehen! Da scheint schon jemand auf dem Eis gewesen zu sein. Aber vielleicht war es nur ein leichter Mensch. Trägt das Eis auch mein Körpergewicht? Sie wagen den ersten kleinen Schritt. Hier am Rand wird es schon gehen und zur Not kann ich mich schnell retten. Das Eis hält. Sie wagen sich weiter hinaus. Schwankt da etwas? Und dieses Knacken, während Sie über das Eis schlittern, das klingt schon etwas bedrohlich. Doch mit jedem Schritt wächst das Vertrauen, das Eis ist dick genug. Am gegenüberliegenden Ufer traut sich bereits eine zweite Person auf den zugefrorenen Teich.

Die Familie pflegt den Jungen schon lange Jahre. Alles haben sie probiert. Jeden Arzt und jeden Quacksalber im Land aufgesucht, doch die Anfälle sind geblieben. Ein böser Geist ist in ihr Kind gefahren, sagen die Leute, da kann nur noch Gott helfen. Eine letzte Hoffnung bleibt: Seit einiger Zeit zieht ein Mann durchs Land. Jesus von Nazareth heißt er. Ihm eilt der Ruf voraus, ein Heiler von Gottes Gnaden zu sein. Mancher fragt sich gar: Ist er der Messias? Heute wurden seine Jünger im Dorf gesichtet. Der Vater fasst sich ein Herz und nimmt seinen Sohn bei der Hand. Auf dem Dorfplatz hat sich bereits eine Menge versammelt. Die Jünger können ihm nicht helfen. Der Geist scheint zu stark. Doch da kommt Jesus mit einer weiteren Gruppe heran. Jetzt oder nie. Dieser Mann ist seine letzte Hoffnung. Der Vater fleht Jesus an zu helfen. Als der sich seinen Sohn besieht, überfällt den Jungen ein erneuter Anfall. Verkrampft zitternd liegt er am Boden. „Jesus, wenn du kannst, so tu doch etwas!“ Doch der macht keine Anstalten zu helfen, meint stattdessen: „Alles ist möglich dem, der da glaubt.“ Da hält es der Vater nicht länger aus und schreit Jesus an: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“

Die Eisdecke hält, auch mit zwei Menschen auf dem Teich. Doch was, wenn noch mehr kommen? Wird es reichen?

Der Junge ist geheilt. Der Anfall ist verklungen und Jesus richtet ihn aus dem Schlaf auf. Von jetzt an wird alles gut. Aber hält dieser Zustand an, oder kommt die Krankheit doch zurück?

Dass wir zweifeln, ob auf dem Eis oder Gott gegenüber, ist Teil unseres Lebens. In der Natur erweist es sich manchmal gar als nützlicher Instinkt. In unserer Beziehung zu Gott sind uns unsere Zweifel mal im Weg, mal führen sie uns in ein noch intensiveres Nachdenken und Gespräch mit ihm.

Ich wünsche uns einen produktiven Umgang mit unseren Zweifeln und ein hoffnungsvolles neues Jahr.

Ihr
Jakob Haferland