Die folgenden Gedanken stammen aus einer Predigt zum Erntedank-Sonntag, die Dorothea Vogel in Gemeinden im Kirchenkreis gehalten hat und uns freundlicherweise für den Newsletter zur Verfügung stellt.
Im 2. Korintherbrief Kapitel 9 Vers 6 heißt es: „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“
Der Vers spricht zum einen von der Landwirtschaft. Dort gibt es Aussaat, Ernte und Missernte. Zum anderen spricht er von der Gesellschaft. Auch dort gibt es Saat und Ernte. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, sagt ein Sprichwort. Man kann entscheiden, was man sät: Zwietracht oder Eintracht? Hass oder Liebe? Verletzung oder Vergebung? Das haben wir in der Hand.
Und auch wie wir säen: Kärglich oder reichlich? Das ist keine Frage von Sparsamkeit oder Reichtum. Es ist eine Frage der geistlichen Haltung. Kärglich kann bedeuten, eine Aufgabe ohne innere Anteilnahme zu erledigen oder einem Pflichtgefühl zu folgen oder aus einem eigenen Mangel heraus zu handeln. Reichlich kann bedeuten, dass wir uns von Gott her als ausreichend versorgt verstehen. Weil er jeder und jedem von uns gibt, deshalb können wir geben. Gott macht uns reich, deshalb können wir weiterreichen. Wir können freigiebig sein. Wir können geben aus vollem Herzen und mit vollen Händen.
Und das meint nicht nur Geld. Wir können Zeit und Aufmerksamkeit verschenken; praktische Unterstützung geben oder jemanden ermutigen; einen Menschen in einer schwierigen Lebensphase begleiten oder ihm ein offenes Ohr leihen; für jemanden beten. So kommt es wie bei Aussaat und Ernte und erneuter Aussaat zu einem Kreislauf. Zu einem Segenskreislauf zwischen Menschen, zwischen Mensch und Gott – und zuerst zwischen Gott und Mensch. Unsere geistliche Haltung wirkt sich aus in Garten und Feld, in Familie und Beruf, in Gesellschaft und Staat, in Kirche und Gemeinde. Also in allen Lebensbereichen.
Zu säen bedeutet weiterzugeben und zu teilen. Doch wie können wir ernten, wenn wir etwas weitergeben? Wir ernten keine natürlichen Früchte. Wir ernten die „Früchte der Gerechtigkeit“. Unter „Gerechtigkeit“ wird in der jüdischen Tradition das Almosengeben verstanden. Die „Früchte der Gerechtigkeit“ sind folglich das, was auf unser Geben folgt. Unsere Spende bringt uns Freude und Verbundenheit mit den Bedachten.
Und sie bringt uns noch etwas: Dankbarkeit der Beschenkten – uns und Gott gegenüber. Und Gott wiederum wird uns so beschenken, dass wir Genüge haben. Das macht auch uns dankbar. Wenn wir im Segen säen, können wir im Dank ernten! Der Segenskreislauf ist auch ein Dankeskreislauf. Wo es auf den ersten Blick um den Ausgleich von Überfluss und Mangel geht, geht es auf den zweiten Blick um Dankbarkeit gegenüber Gott und allen Menschen.
Es ist eine Perspektive, hier und jetzt die leeren Hände anderer zu füllen. Es ist eine zweite Perspektive zu wissen, dass später bei Bedarf die eigenen leeren Hände gefüllt werden. Diese Idee von Kollekte hat in der christlichen Kirche eine lange Tradition, wie wir in den Korintherbriefen lesen können. Bei jedem Gottesdienst sammeln wir für eine bestimmte Arbeit, eine Organisation oder einen Bund. Nach der Sammlung wird oft gesagt: „Gott segne Geber und Gaben und die, die sie empfangen werden.“ So sieht „im Segen geben“ ganz praktisch aus. In diesem Segen sind Geber und Empfänger miteinander verbunden. In diesem Segenskreislauf vor Gott sind wir alle mal Empfänger, mal Geber. Immer wieder beides.