Foto: Clara Arnold

Das Spielbrett fliegt über den Tisch, die Figuren sausen in alle Richtungen. „Das ist gemein! das ist unfair!“, schreit meine Schwester aus vollem Hals. Meine Oma versucht sie zu beruhigen: „Aber es ist doch nur ein Spiel!“ Offensichtlich haben wir nicht nur gespielt. Denn der Ärger und die Wut waren nicht gespielt, sondern sehr echt und heftig, damals in den Schulferien zu Besuch bei Oma.

Das ist besonders am Spielen. Wir tun nur so, als ob, aber dann beschäftigt es uns doch manchmal so sehr, als wäre es ganz echt, als wäre es unsere Wirklichkeit und nicht nur ein Spiel. Dieses Phänomen wird Immersion genannt. Bücher können uns zur Wirklichkeit werden, Filme ziehen uns in ihren Bann. Was wir da erleben in dieser gespielten Wirklichkeit, das können wir manchmal mitnehmen in die Welt nach dem Spiel.

Unser Spielfestival im August war voll von Spielerlebnissen ganz unterschiedlicher Art. Aber warum gehört ein Spielfestival in die Gemeinde? Was hat das denn mit Glauben oder Gott zu tun? Bei der Eröffnung und im Gottesdienst des Festivals habe ich über den Eckstein gesprochen, den die Bauleute verworfen haben, wie es in Psalm 118 heißt. Beim Bauen kommt es nur darauf an, ob der Stein passt. Er muss nützlich sein und seine Funktion erfüllen. Das Schöne am Spielen ist, dass es nicht nützlich sein muss. Aus dem Zwang von Nutzen und Optimierung, dem wir im Leben und in unserem Alltag häufig nicht entkommen können, befreit uns Spielen, wenigstens für den Moment.

So schafft uns Gott Spielraum. Ich sage, Gott hat den Spielstein erwählt, den die Bauleute verworfen haben. Ein Wunder vor unseren Augen. Gott lässt uns eintauchen in eine Wirklichkeit der Gnade und Erlösung durch biblische Geschichten, durch berührende Gottesdienste und durch eine Gemeinschaft mit segensreichen Spielregeln.

Vikar Fridolin Wegscheider