Diese Predigt zu Joh 21,1-14 hat Dorothea Vogel am vergangenen Sonntag Quasimodogeniti in Niemberg gehalten und stellt sie freundlicherweise als geistlichen Impuls für unsere Website zur Verfügung. Vielen Dank!
Liebe Gemeinde,
mit beklommenem Herzen stehe ich heute Morgen hier vor Ihnen. Denn es ist die erste Predigt, die ich seit Januar halte. Vielleicht sitzen auch Sie mit beklommenen Herzen hier?↓ Fragen sich, ob es richtig war, hierherzukommen?↓ Manche von Ihnen haben sich lange nicht gesehen. Und wenn doch, so ist es noch ungewohnt, wieder hier zum Gottesdienst zusammenzukommen. Ein mulmiges Gefühl ist mit dabei.
So ähnlich werden sich auch die Jünger gefühlt haben, von denen der Predigttext berichtet. Die Jünger fühlen sich beklommen und niedergeschlagen. Sie sind verunsichert. Ihr Leben ohne Jesus fühlt sich so leer an. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Also tun sie das Naheliegende. Sie gehen fischen.
Doch wenn ich nur so irgendetwas tue, dann bringt das nichts. Ich kenne diese Erfahrung und Sie vielleicht auch. Etwas zu tun, scheint besser zu sein, als nichts zu tun. Aber es bringt nichts. Nicht nur keinen Erfolg, sondern auch keine Linderung der inneren Situation. Wo es leer ist, bleibt es leer.
So wie das Netz der Jünger.
„Und in dieser Nacht fingen sie nichts.“ (V. 3)
Das Netz bleibt leer. Und in ihnen bleibt es auch leer.
Bis Jesus wieder in ihr Leben tritt. Am Morgen steht er am Ufer, als sie mit hängenden Köpfen, leerem Netz und leerem Magen zurückkommen.
Jesus spricht sie an: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ (V. 5)
„Nein, Jesus“, möchte ich antworten, „siehst du es denn nicht? Ihre Netze sind leer und ihr Magen. Und ihr Kopf ist voller Sorgen. Sie sorgen sich, wie es weitergehen soll; wer sie versorgt. Und da fragst du, ob sie nichts zu essen haben?“
Natürlich weiß Jesus das. Er spricht sie in ihrer konkreten Not an. Er sieht und versteht ihr Elend. Er steht einfach da. Er ist da. Sieht zu seinen Jüngern. Er sieht sie an. Seine Augen suchen sie. Jesus spricht sie an: „Kinder.“ Sie hören seine Stimme. Durch seine Stimme, seinen Blick, durch seinen Anblick und seine ganze Gegenwart fühlen sie sich sicher. In diese neu gewonnene Sicherheit hinein spricht Jesus den ersten Satz.
Er macht den Anfang. Und mit diesem Anfang wird ein Neuanfang für die Jünger möglich. Er fordert sie auf, ihr leeres Netz erneut auszuwerfen. Ja, ihre Leere wegzuwerfen.
Denn da, wo Jesus ist, hat die Leere keinen Platz mehr. Weder außen noch innen. Da, wo Jesus ist, ist Fülle.
Eine große, unerwartete Fülle! Sie zeigt sich wieder an dem Netz. Es ist komplett mit Fischen gefüllt. Das muss ein überwältigendes Gefühl für die Jünger gewesen sein! Das Netz ist prall gefüllt mit großen Fischen. Fische in Hülle und Fülle. Und das Netz reißt nicht. Es birgt die ganze Fülle in sich.
153 Fische sind in diesem Netz.
Warum ausgerechnet 153 Fische?, frage ich mich. Wieso ausgerechnet so eine krumme Zahl? Über diese Zahl habe ich mich schon immer gewundert und auch geärgert. Sie passte einfach nicht in mein Denkschema. Aus der Bibel kenne ich die 3, die 7 und die 12; die 4 und die 40; und auch den 1. und den 8. Tag – da ist für mich alles klar. Aber die 153 passte einfach nicht dazu.
Eines Tages bekam ich den entscheidenden Hinweis.
Stellen Sie sich bitte einmal vor, wir wären heute 17 Leute im Gottesdienst. Der Erste brächte 1 Fisch mit, die Zweite 2 Fische, die Dritte 3 Fische usw. Und der 17. brächte gar 17 Fische mit. Dann wären alle zusammengezählt genau 153 Stück. Das ist überraschend und genial zugleich, weil es wir ein Geheimcode funktioniert. Die Fische sind der Schlüssel!
Denn die Summe von 1 bis 17 ergibt 153.
Die Kapitel 1 bis 17 des Johannesevangeliums spielen vor der Passionsgeschichte.
Der 1. Satz des Evangeliums lautet: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ (Joh 1,1)
Der letzte Satz des 17. Kapitels lautet: „damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ (Joh 17,26)
Beide Sätze zusammengenommen lauten: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“
Das ganze Evangelium lässt sich in diesem Wort zusammenfassen. Es ist die Summe. Die Summe 153. Es sind 153 Fische. Die Fische symbolisieren das ganze Evangelium!
Und das Netz entspricht dem Kapitel 21. Es umspannt die Fische und damit das ganze Evangelium. Es beinhaltet alles und hält es zusammen. Es reißt nicht.
Nun fehlen uns noch drei Kapitel des Evangeliums. Die Kapitel 18-20, die Passionsgeschichte Jesu.
Sie werden durch Jesus selbst repräsentiert. Er ist der Auferstandene – mit den drei Wundmalen.
Er begegnet den Jüngern am Morgen – nach der Nacht der Niedergeschlagenheit und der Leere.
Jesus, der gesagt hat: „ICH BIN das Brot“, hat Brot dabei.
Jesus hält Fisch bereit. Jesus, der ICHTHYS genannt wird. Das ist eine Kurzform des griechischen Satzes: „Jesus Christus, Sohn Gottes und Retter.“ Das griechische Wort, das übersetzt eben Fisch heißt.
Der Fisch ist der Schlüssel!
Denn ER, der Sohn Gottes, der Auferstandene, er ist da und er lebt!
„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“
In die Leere der schwindenden Nacht hinein spricht Jesus seine Jünger neu an. Er veranlasst ihren Neuanfang. Das prall gefüllte Netz ist das Symbol dafür. Und da geht plötzlich dem Ersten an diesem frühen Morgen ein Licht auf: „Es ist der Herr!“ (V. 7) Sein Herz hüpft vor Freude. Einer bekennt es zuerst. Dann können es auch die anderen erkennen. Da kommt Leben in die Jünger. Sie spüren neue Kraft und Schwung. Voll Elan kehren sie mit dem vollen Netz ans Ufer zurück.
Aber sie erkennen es nicht nur. Sie erleben es auch. Hautnah.
Denn Jesus spricht zu ihnen: „Kommt und haltet das Mahl.“ (V. 12) „Kinder, kommt, hier habt ihr Brot und Fisch. Ich habe alles für euch vorbereitet. Ich versorge euch. Macht euch keine Sorgen mehr. Ich bin euer Versorger. Mit mir habt ihr alles in Fülle.“
„Ja, Jesus“, möchte ich sagen, „da wird mir ganz warm ums Herz. Weil du da bist. Weil ich dich und deine Zuwendung erleben darf. Weil mich die Gemeinschaft mit dir entlastet. Weil ich mit dir äußere und vor allem innere Sicherheit erlebe. Danke, Jesus!“
Liebe Gemeinde,
ich möchte Sie bitten, sich etwas vorzustellen. Ich möchte Sie bitten, sich an ein schönes Abendmahl zu erinnern. –
Denken Sie daran, wie Sie in der Kirche nach vorne gehen.
Spüren Sie Ihren Schritten nach.
Dem Boden unter Ihren Füßen.
Suchen Sie sich einen angenehmen Platz aus.
Spüren Sie die Menschen neben sich.
Fühlen Sie sich in den Raum ein.
Die Heiligkeit des Altarraums.
Das gedämpfte Licht.
Die Stille.
Betrachten Sie alles ganz in Ruhe.
Spüren Sie Ihrem Atem nach.
Die Ruhe des Raumes breitet sich in Ihnen aus.
Leise Orgeltöne sind zu hören.
Eine Stimme spricht: „Christi Leib für dich gegeben.“
Ein Blick berührt Sie.
Der Geschmack der Oblate breitet sich in Ihrem Mund aus.
Der Kelch liegt gewichtet in Ihrer Hand.
Der Duft des Weines steigt in Ihre Nase.
Er fließt über Ihre Lippen – über Ihre Zunge – erfüllt Ihren Mund.
Er ist ganz gegenwärtig.
Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Gemeinschaft untereinander.
Wir erleben sie in diesem Augenblick.
„Das stärke und bewahre euch im Glauben zum ewigen Leben. Gehet hin in Frieden.“
So hören wir es am Ende des Abendmahls und gehen wieder in unser Leben hinein.
Wir gehen gestärkt durch Brot und Wein.
Gestärkt durch das Evangelium von Jesus Christus.
Denn am Anfang war das Wort, damit die Liebe in uns sei!
Amen.