Auf der Ikone von Jesus und seinem Freund – auf dem Bild ein Druck aus Taizé in der Petruskirche , wo man in der offenen Kirche sich an diesem Platz mit Jesus befreunden kann – sieht man auf den ersten Blick eine ungewohnte Szene. Jesus legt den Arm um Menas, der, wenn man den historischen Forschungen glauben darf, zunächst römischer Soldat und nach seiner Konversion zu einem Freund und Nachfolger Jesu wurde und als Eremit in Ägypten lebte, bis er um 300 n. Christus starb.
Es ist ein schönes Bild, wenn Jesus seinem Freund so die rechte Hand auf die Schulter legt. Es ist eine Beziehung auf Augenhöhe und beiden scheint es zu gefallen. Obwohl der eine – ausgedrückt durch das Buch – mehr Würde in die Beziehung einbringt als der andere, der nur eine kleine Papierrolle in der Hand hält. So scheint doch der vermeintlich Geringere den anderen mit seiner Rechten zu segnen.
Nur wie kann ich mir eine solche Befreundung wirklich vorstellen. Tun wir mal so, als hätten beide in echt miteinander gesprochen.
Jesus: Hallo Menas! Sei gegrüßt. Friede sei mit Dir. Wie geht’s?
Menas: Und auch mit Dir. Ich meine: Friede sei auch mit Dir. Gut, ich kann nicht klagen.
Jesus: Das hört sich ja fast wie bei meinen Freunden, den Germanen an. Nicht geklagt, ist genug gelobt. Hast Du tatsächlich Kummer?
Menas: Nein, nicht wirklich. Mich beschäftigt nur eine Frage seit einiger Zeit.
Jesus: Und die wäre? Trau Dich und stell sie. Komm schon!
Menas: Bitte verstehe mich richtig und sei bitte nicht sauer.
Jesus: Menas, wir sind doch Freunde. Und Du weißt, so zimperlich bin ich nicht. Da habe ich schon ganz anderes erleiden müssen. Raus damit.
Menas: Du bist mein Freund. Stimmt’s?
Jesus: Stimmt!
Menas: Ich bin stolz darauf, Du bist wahrscheinlich der, von dessen Freundschaft ich mich am meisten geschmeichelt fühle.
Jesus: Hör auf, mir Honig um den Bart zu schmieren. Sag endlich, wo die Sandale drückt.
Menas: Es sind Deine anderen Freunde. Wie die Pharisäer schon richtig bemerkt haben, bist Du nicht eben wählerisch in der Wahl Deiner Freunde. Ich zitiere: „Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.“
Jesus: Stimmt, so war’s. Und ich würd´s wieder tun. Hat lecker geschmeckt und so waren die Höhepunkte meines Lebens die Begegnungen mit diesen Menschen.
Menas: Aber dann muss ich doch denken, dass ich nur durch die späte Geburt davor bewahrt worden bin, damals mit Dir in schlechter Gesellschaft von Verrätern, Prostituierten und ungewaschenen Tagelöhnern am Tisch sitzen zu müssen.
Jesus: Stimmt wiederum. Menas, Du ziehst Deine Schlüsse messerscharf. Ich pflege, mehr die Menschen als die Vorschriften zu achten. Ich liebe es, Menschen neue Wege zu eröffnen. Und ein bisschen freut es mich auch, wenn die braven, frommen, gesetzestreuen sich darüber aufregen. Dann muss ich manchmal schmunzeln. Und sie haben eine Denkaufgabe.
Menas: Siehst Du in mir denn eher den Kriegsdienstverweigerer, der seinem Leben eine gute Wende gegeben hat, oder den Sünder, der immer noch andere verachtet, weil sie anders sind als ich?
Jesus: Was wäre Dir denn lieber?
Menas: Ich bin Abbas Menas und bin ein rechtschaffener Mensch und Christ.
Jesus: So, so. Und wozu brauchst Du meine Freundschaft?
Menas: Du meinst, ich muss mich erst mit meinem Schatten befreunden, bevor ich Deine Freundschaft richtig schätzen kann?
Jesus: Ist das Deine Frage, die Du meintest, Menas? Ich glaube, Du bist ganz nah dran, eine große Erfahrung zu machen. Du versuchst gerade, dich selbst zu umarmen.
Menas: Aber ich will doch ein Guter sein. Dein Freund.
Jesus: Das bist Du auch, Menas. Du bist mein Freund. Und ich bin Deiner. Aber ich bin schon jetzt der Freund Deines alter ego. Sei Dir gegenüber freundlich. Nimm an, was Du jetzt kontrollierst.
Menas: Jesus, Du machst es Deinen Freunden gar nicht so leicht.
Jesus: Doch, mein Joch ist leicht, was Ihr Euch auferlegt ist schwer.
Menas: Hm, …
Dieses Gespräch hat so nie stattgefunden, aber es könnte zwischen uns und unserem Freund Jesus stattfinden.
Pfr. Ralf Döbbeling