Diese Predigt zu Mt 28, 16-20 hat Dorothea Vogel am vergangenen 6. Sonntag nach Trinitatis in der Gemeinde in Ilsenburg (Harz) gehalten. Dorothea ist angehende Prädikantin und hat diese Predigt im Rahmen des Aufbaukurses erarbeitet. Den Text stellt sie freundlicherweise als geistlichen Impuls für unsere Website zur Verfügung. Vielen Dank!

Liebe Gemeinde,
ich möchte heute gemeinsam mit Ihnen eine gedankliche Gebirgstour machen. Es geht durch verschiedene Gegenden mit kleinen und großen Bergen und durch verschiedene Zeiten.

Unser Weg beginnt in Halle, wo ich wohne. Eigentlich gibt es dort keine richtigen Berge. Und doch ist Halle hügeliger, als viele denken. Die Saale schlängelt sich nach jahrtausende langer Arbeit
durch das rötliche Porphyrgestein. Der sog. Galgenberg gehört zum Naturpark „Unteres Saaletal“. Dort gibt es typischen Trockenrasen und nur wenige Bäume und Sträucher.

Ganz anders hier rund um Ilsenburg mit seinen Mischwäldern im Nationalpark „Harz“. Der Buchberg und der Ilsestein sind beliebte Wanderziele ganz in der Nähe. Im Harz unterwegs zu sein,
ist immer wieder schön.

Auch in Galiläa gibt es Berge. Einige liegen zwischen rund 600 bis 1200 m über dem Meeresspielgel. Aufgrund von Regenreichtum sind sie üppiger bewachsen als andere Landesteile. Der Berg Meron gehört aufgrund seines Artenreichtums zu einem Naturschutzgebiet. Auf solch einen Berg bestellt Jesus seine Jünger. Und sie machen sich auf den Weg, um ihn dort zu treffen.

„Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg,
wohin Jesus sie beschieden hatte.
Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder;
einige aber zweifelten.
Und Jesus trat herzu [und] redete mit ihnen […].“

Der erste Schritt ist getan, indem die Jünger zum Berg gegangen sind. Und Jesus macht einen Schritt auf seine Jünger zu und spricht sie an. Dann geht er einen Schritt weiter. Denn jetzt sollen seine Jünger gehen. „Gehet hin“ ist die erste Aufforderung an sie. Er sendet sie. Er ist der Absender. Und die Völker sind die Adressaten. „[U]nd lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ Das ist die zweite Aufforderung. „Geht, um zu lehren!“ Die Sendung beinhaltet einen Lehrbefehl. Die Jünger sollen lehren. Sie sollen lehren, was sie selbst gelernt haben.

Ich denke dabei an die Bergpredigt bzw. Berglehre. An diesem Berg in Galiläa erinnert Jesus die Jünger an einen anderen Berg. Auf diesem hören sie einen Auftrag. Auf jenem hörten sie seine
Rede. Das Kernstück war das Vaterunser. Es ging um das Almosengeben und um das Fasten. In der „goldenen Regel“ gab Jesus ihnen einen Maßstab für das tägliche Leben mit. Sie lautet:
„Alles nun, war ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“

Die Seligpreisungen ermutigten viele; auch Zweifler. Und selig wird auch, wer seinen Glauben wie ein Haus auf festen Grund baut. An all dies erinnert dieser Berg. All dies sollen die Jünger lehren. All dies sollen die Völker hören. Und wer hört und glaubt, soll getauft werden. „Taufet sie“ ist die dritte Aufforderung. „Lehret und taufet!“ oder „Taufet und lehret!“ Wie herum auch immer. Beides gehört zusammen. Taufunterricht und Erwachsenentaufe gehören genauso zusammen wie Kindertaufe und Christenlehre.

Hier am Ende des Matthäus-Evangeliums verweist Jesus mit dem Befehl an diesem Berg auf die Lehre an jenem Berg. Und er verweist auf weitere Berge.

Ich denke an den Berg der Versuchung am Anfang des Evangeliums. Für mich ist das eine Mahnung, dass die Jünger auch bei ihrer Sendung Versuchungen ausgesetzt sein werden. Und ich denke an den Berg der Verklärung in der Mitte. Für mich ist das die starke, bildliche Zusage der Nähe Gottes. Die Jünger werden bei ihrer Sendung auch die überraschende Nähe Gottes erleben.
– Und diese Zusage wird hier dreifach deutlich.

1. „Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Die Taufe setzt in Beziehung. Durch die Taufe wird eine Beziehung hergestellt. Die Menschen aus allen Völkern
werden in ihrer Taufe auf Jesus bezogen. Auch wir. Jesus sendet die Jünger. Die Jünger gehen und lehren; und taufen gegebenenfalls. Und die Getauften glauben an Jesus.

Ich selbst wurde als Kleinkind getauft. Meine Eltern wählten für mich einen Taufspruch aus Psalm 121: „Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. Er wird deinen Fuß
nicht gleiten lassen und der dich behütet, schläft nicht.“ Diese beiden Verse begleiten mich schon fast mein gesamtes Leben. Und in Situationen, in denen ich dringend Hilfe benötige, mich mutlos
und verzagt fühle oder zweifle, bete ich meinen Taufspruch. Bereits diese Handlung hebt mich aus der Begrenztheit heraus.

Und so beschreibt es auch der Psalmist zu Beginn: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.“ Und er fragt: „Woher kommt mir Hilfe?“ Er hebt seine Augen nach oben. Vielleicht zu den Bergen seiner
Heimat – in Gedanken wohl beim Berg Zion. Denn auf dem Berg Zion in Jerusalem lässt Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, seinen Namen wohnen. Die Frage „Woher kommt mir Hilfe?“ ist
also schon eng verknüpft mit der Antwort. „Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.“ Und so erlebe ich es auch. Ich hebe meine Augen nach oben, schaue gen
Himmel und weiß, Gottes Hilfe wird mir nahe kommen. Mein Taufspruch erinnert mich an diese Zusage.

2. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Seine Gewalt, seine Vollmacht ist Jesus gegeben worden. Sie ist ihm von Gott gegeben worden. Die Vollmacht ist eine göttliche Gabe. Der
Berg in Galiläa ist der Ort der Über-Gabe dieser Vollmacht an die Jünger. Mit jedem „wie im Himmel so auf Erden“ im Vaterunsergebet wiederholen wir nicht nur das Kernstück der Bergpredigt, sondern auch Jesu Selbstzeugnis. Wir bekennen seine Vollmacht im Himmel und auf Erden. Und dass sie uns gilt!

3. „Ich bin bei euch alle Tage.“ Bei ICH BIN denke ich an einen weiteren Berg. ICH BIN – mit diesem Namen stellt sich Gott selbst Mose am Berg Horeb vor. Und Gottes ICH BIN ist DIE Zusage überhaupt!
Es heißt soviel wie: Ich bin für dich da. Ich helfe dir. Ich gehe mit dir. Dieses ICH BIN klingt hier an. „ICH BIN bei euch alle Tage.“ Nicht nur heute oder morgen, sondern alle Tage. Im Alltag und am Sonntag. Jeden Tag.

Das heißt, weil auch wir getauft sind auf den Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, sind wir in Beziehung gesetzt. Zu Gott und zueinander! Und diese Beziehung gilt zeitlich auf dieser Erde. In der Woche und am Wochenende. In meinem Leben und an meinem Lebensende. In dieser Welt und bis ans Ende der Welt. Oder anders ausgedrückt: Durch unsere Taufbeziehung gehen wir auf unser Lebensziel zu. – Und diese Beziehung gilt ewig. Wir nennen es Himmel.

Liebe Gemeinde,
es sind die kleinen Schritte, die wir in unserem Leben gehen. Mit unseren kleinen Schritten nähern wir uns dem großen Ziel. So wie wir heute auf verschiedenen Wegen hierher gekommen sind, so
werden wir nachher auf unterschiedlichen Wegen weitergehen. Die Sendung steht am Ende des Gottesdienstes. Wir werden in die Weite gehen und gehen diesen Weg als Gesandte der Zusage Jesu.
In unsere Familien hinein oder an unsere Arbeitsplätze; in unsere Freundeskreise oder in spontane Begegnungen. Vielleicht gehen wir auch in der Nähe zu einer Nachbarin, besuchen jemanden zumMittagessen oder sind zum Sonntagskaffee eingeladen.

Bei unserer Taufe wurde dieser Predigttext gelesen. – Auch uns gilt der Aufruf: „Gehet hin und lehret!“ Das ist das Priestertum aller Getauften.Wir sind unterwegs als Getaufte und als Gesandte.
Für uns aus dem Prädikantenkurs wird dieser Text auch bei der Einführung bzw. ehrenamtlichen Ordination zum Dienst der öffentlichen Verkündigung gelesen. Wir werden beauftragt den dreieinigen Gott öffentlich zu verkündigen. Wir Prädikantinnen und Prädikanten werden gesandt zu den Bergen zwischen dem westlichen Thüringen und dem südlichen Brandenburg, von der Altmark bis
zum Altenburger Land.

Wir werden von der Kirche gesandt, um alles zu lehren und zu predigen. Und nach der ehrenamtlichen Ordination, um zu taufen und das Abendmahl einzusetzen. Wir gehen nicht nur zu den Bergen. Wir machen uns auch auf den Weg in die Täler und Ebenen; in die Dorfkirchen und Stadtgemeinden. Schritt für Schritt.