Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. (Apg 2, 42)

Liebe Gemeinde,
Krisen verändern die Welt. Von vergangenen Krisen erfahren wir durch Geschichtsbücher oder autobiographische Berichte. Wir können daraus lernen, aber ändern oder umkehren können wir ihren Verlauf nicht mehr. Vieles davon beeinflusst uns bis heute und entsetzt uns sogar. Wir werden unsere eigenen Geschichten schreiben und dabei auch nicht ohne Schuld und Trauer bleiben. Aber auch nicht ohne Freude und dankbares Staunen.

Die konkrete Situation durch die weltweite Verbreitung des Virus verändert unseren Alltag, die Art, wie wir arbeiten, fühlen, glauben und kommunizieren. Dabei gibt es nicht nur eine Richtung, in der Art von „Not lehrt beten“. Wir erkennen eine Vielzahl von widersprüchlichen Reaktionen: Angst, Skepsis, Tatendrang, Bevormundung. Vor allem merken wir, dass Distanz und Nähe, mit einem Wort Gemeinschaft, ganz neu bedacht und ersehnt wird.

Erfahrungen hatten wir damit schon vorher. Räumliche Distanz bedeutete nicht unbedingt emotionale Distanz. Und gemeindliche Nähe konnte mit einer distanzierten Haltung gegenüber der Institution Kirche einhergehen. Das lässt vermuten, dass die neue Lage nicht weniger komplex ist.

Einfache Lösungen wie die Analyse, dass die Bedeutungslosigkeit der Kirche die Quittung dafür ist, dass die Christen nicht die religiösen Bedürfnisse der (post-)modernen Menschen ansprechen, oder genau umgekehrt, sich nur an Themen der Gesellschaft anpassen, greifen zu kurz. Gegenwärtig verspricht die Evangelische Kirche in Deutschland als neue Reform, mit neuen Reformpapieren und Reformprozessen zurückhaltender umgehen zu werden.

Aber was bedeutet das für die Christen vor Ort, die von ihrem Glauben Zeugnis ablegen, sich miteinander treffen, (Abendmahl) feiern und Gemeinde für andere sein wollen?

Wie gesagt, die Situation ist komplex und daher werde ich hier auch keine vereinfachende Antwort versuchen. Aber die Kennzeichen der Kirche, die oben im Zitat der ersten Gemeinde in der Apostelgeschichte stehen, sind dafür ein Leitvers. Tun, was wir immer getan haben, und gleichzeitig neue Formen dafür suchen, denn ansonsten sprengen die Kräfte der jetzigen Verwandlung den bewährten Rahmen. Dabei werden wir Fehler machen und manches nur schmerzlich lernen, aber wenn wir uns nicht gemeinsam auf den Weg machen, dann machen wir alles verkehrt. Dazu werden wir alle Begabungen, alle Gebete, alle Kräfte, alle Kritik, die wir bekommen können, brauchen. Und ich bin zuversichtlich, dass die Erkenntnis, ecclesia semper reformanda, auch ihre Verheißung preisgeben wird. Eine Kirche, die sich in einem ständigen Umformungsprozess befindet, behält ihren Glanz und wird krisenfest sein.

Ihr Pfarrer
Ralf Döbbeling