Gedanken zum diesjährigen Predigttext des Sonntags Judika (Markus 10, 35-45)

Das Brüderpaar Jakobus und Johannes ging mit einer Bitte auf dem Herzen zu Jesus. Einer Bitte, die ihre Zukunft, die ihren Platz betraf.
„Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden.“ Jesus sprach zu ihnen: „Was wollt ihr, dass ich für euch tue?“ Sie sprachen zu ihm: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.“

Ein großer Wunsch. Eine unverschämte Bitte. Sie wird zurückgewiesen.
Aber nicht die beiden Menschen. Sie werden angewiesen. Ja, Jesus weist ihnen einen Platz an. Aber nicht in der Herrlichkeit, nicht oben, sondern unten.

An diesem Unten kann ich mich stoßen. Es kann mich hinabwürdigen.
Am Dienensollen kann ich wund werden. Es kann mich zerbrechen.

Und es gibt ein Unten mit Würde und im Rahmen meiner Möglichkeiten.
Statt zu sagen „sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein“, könnte es heißen: Wer groß sein will, sollte großzügig sein. Und wer der Erste sein will, sollte ein Ersthelfer sein, wie einer, der Erste Hilfe leistet, wenn es gerade gebraucht wird.
Das ist für mich ein Unten, wie es gelebt werden kann.

Meine Prüffrage lautet: Dient es meiner oder meinem Nächsten, was ich sage oder tue? Dienst es, was ich denke oder weglasse, zum Leben?

Es gelingt mir natürlich nicht so oft, wie ich es gerne hätte.
Die Frage wiederum dient mir als Richtschnur.

Und ich kann auch nicht allein aus mir heraus dienlich sein.
Da brauche ich eine Rückbindung. Da brauche ich ich einen Platz, der mir Rückhalt gibt, mein Herz weit macht und meine Hände frei zum Handeln.

Für mich ist dieser Platz am Kelch. Der Kelch im doppelten Sinn.
Der Kelch als Gedächtnis des Abendmahles, das Jesus stiftete. Der Kelch, der uns vereint am Tisch des Herrn. Als Kelch der Gemeinschaft.
Und als Kelch des Leids – „gefüllt bis an den höchsten Rand“ – steht er symbolisch für die Passion Jesu. Wir erinnern uns in der Passionszeit an Jesu Leiden, Hingabe und Opfertod. Sein Kelch des Leids wird zum „Lösegeld für viele“. Der Kelch als Gedächtnis des Kreuzes.

Heute ist mein Platz am Kelch, der beides vereint: Abendmahl und Kreuz.

Der Kelch erinnert mich: Jesus diente uns, damit wir einander dienen können.

Dorothea Vogel