Angedacht: Tränen Tag und Nacht

Losungen am Freitag 05.06.2020
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?
(Psalm 42,4)
Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit.
(2. Korinther 12,9)

Alles dreht sich im Kreis. Die eigenen Begabungen scheinen zu verpuffen. Man kommt nicht voran. Die Herausforderungen des Alltages werden immer größer.

Und man bleibt unten, weil die Gesellschaft es so will.
Man bleibt unten, weil man im Alltag gar nicht mehr der Schnelllebigkeit, dem Stress, dem Funktionieren hinterherkommt und ausrangiert wird.
Weil man schwarz ist oder einer bestimmten Kultur angehört oder einem bestimmten Glauben anhängt.
Man bleibt unten, weil man das Pech hat, leider auf dem Teil der Erde zu wohnen, der vom Norden abhängig ist und am meisten die Klimafolgen zu spüren bekommt.
Man bleibt unten.

Die Gründe für Tränen Tag und Nacht sind unterschiedlich.
Immer wieder drängt sich die Frage auf: Wo ist dein Gott?
Und in dieser Frage sind wir ohnmächtig.
Wir wissen nicht, wo er ist.
Und nicht selten zerbrechen Menschen an ihren Verzweiflungen.

Wo ist dein Gott?

Diese Frage muss ausgehalten werden.
Diese Ohnmacht muss ausgehalten werden.

Aber sie darf nicht zum Abgrund führen, in den wir alle hineinfallen und das Leben als beendet und als gescheitert gilt. Darauf hoffe ich.

Was bleibt, ist nichts weiter als Hoffnung.
Ich hoffe auf die Zusage dessen, der uns begleitet.
Ich hoffe, dass er mitten im Tal des Jammers, des Kummers und der Schreie da ist, dass er mein Leben, dass er unser Leben in Ewigkeit zur Vollendung führt und immer wieder Befreiung im Hier und Jetzt bewirkt.
Ich hoffe auf die Bewegung, die von ihm ausgeht,
die Menschen nicht loslässt,
die Menschen Lebensfülle schenkt, sie aufstehen lässt,
sodass sie für diese Welt mitschreien, mitkämpfen und auf heilsame Veränderungen drängen.
Ich hoffe auf das Licht, das die Dunkelheit durchbricht, sodass wir immer wieder aufstehen und uns für Befreiung in allen Dimensionen in dieser Welt einsetzen.

Tobias Foss

Diese Gedanken zur Tageslosung wurde zuerst im digitalen Gemeinde-Raum auf Slack veröffentlicht. Dort finden sich noch viele weitere geistliche Impulse.

Angedacht: Eine Taube macht noch kein Pfingstfest

Helga Paris hat ihre Tochter in Halle besucht, als diese an der Burg studierte. Natürlich hatte sie ihre Kamera dabei. Zur Fotographie ist die Autodidaktin durch Familienfotos gekommen. So entstanden von Halle neben den Bildern, die die Stadt wie ein Häusergebiss mit lauter ausgefallenen und maroden Zähnen zeigen, auch ganz privat anmutende Schwarzweißfotos, die in dem Bildband “Diva in Grau” zu sehen sind.

Schwarzweiß Fotos oder die Diva in Grau. Sie bemerken den Unterschied? Es gibt in Halle weder reines Schwarz noch reines Weiß, aber es gibt Menschen, die entweder nur das eine oder das andere sehen wollen. Schwarz oder weiß betonen. Das ist das sogenannte Schwarzweißdenken. Doch zum Glück gibt es viel mehr von denen, die die Mischtöne sehen. Und nicht nur in mausgrau, staubgrau, aschgrau, … Und ich denke, genauso muss es in der Atmosphäre einer Gesellschaft und in der Haltung eines Menschen sein. Niemand ist komplett verdorben oder heilig, sondern wir sind alle dazwischen. Und es gibt ständig Besserung und Abstieg.

Zu Pfingsten feiern die Christen die Ausgießung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist der von Jesus zugesagte Beistand, wenn er selber zu seinem Vater zurückkehrt. Die Menschen sollen die Welt nie wieder ohne Gott sehen müssen. Gott ist da. So wie die eine Taube in der Straße, die die Existenz von Vögeln in einer scheinbar naturbereinigten, tristen Stadt belegt. So belegt die eine vom heiligen Geist bewegte Person die Anwesenheit Gottes in der Welt. Gott ist da, auch wenn viele schwarzsehen. Es gibt Hoffnung.

Es gibt einen Satz im Johannesevangelium, der auch oft populär zitiert wird. “Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, weisst aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.” Er ist nicht ausrechenbar. Der Geist? Nein, der Mensch. Nicht das Wehen des Geistes ist unbestimmt, sondern die Motivation eines vom Geist bewegten Menschen ist nicht jedem offensichtlich. Denn die Tat kommt aus Gott.

So ist es menschenmöglich mehr Farbe ins Schwarzweiß und ins Grau einer Stadt zu bringen. Es braucht nur die Windkraft aus Gott. Im Evangelium des Johannes nennt sich das Wiedergeburt. Von neuem geboren werden, sodass andere zwar nicht immer erkennen, woher der Wind weht, aber jeder versteht, dass es einen Unterschied macht, vom Geist bewegt zu werden. Besser zu segnen als zu lästern, besser die andere Wange auch noch hinzuhalten statt Gewalt eskalieren zu lassen und auch Hoffnung und Humor zu bewahren und Gerücht und Verschwörung totzuschweigen.

Ich danke allen, die in der vergangenen Wochen selbst dann weitergeholfen haben und nüchtern und mutig geblieben sind, als es wegen des Corona-Virus düster aussah. Eine Schwalbe macht zwar noch keinen Sommer, aber der Wind des Geistes bewegt uns in die richtige Richtung.

Ihr Ralf Döbbeling

Angedacht: Ein Fingerzeig Gottes

„Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“ (EG Bayern/Thüringen 659)

Ihr Lieben,
in unserem Garten bestaune ich gerade die ersten sich öffnenden Blütenknospen an unserem Mandelbäumchen. Herrlich, so fein und zierlich und in kräftigem Rosa – nicht zu übersehen. Für mich ist das ein Fingerzeig Gottes für seine unermüdliche Liebe zu dieser Welt und uns Menschen. Damit schenkt er uns Hoffnung, Freude pur, Liebe und Zuversicht, und in mir löst es tiefe Dankbarkeit unserem Schöpfer gegenüber aus.

In den momentan schwierigen, angstvollen und unsicheren Zeiten, die durch das Corona-Virus ausgelöst wurden, ist so eine kleine Mandelblüte für mich ein Fingerzeig Gottes, ihm allein zu vertrauen. In allen Zeiten gab es schon Epidemien (Cholera, Typhus, Pest). Martin Luther pflanzte trotzdem sein Apfelbäumchen. Ich verstehe die Angst um schwangere Frauen, Babys und Kleinkinder, alte Menschen, chronisch und schwer erkrankte Freunde und Verwandte. Aber Angst lähmt. Gebet jedoch und Vertrauen in Gott, unseren Herrn, und Jesus Christus, seinen Sohn, stärkt uns in der Krisenzeit.

Hiermit ermutige ich euch alle zur vertrauensvollen Hingabe im Gebet an den, der alles geschaffen hat und in seiner gütigen Hand hält; an Gott, der denen, die ihn lieben und vertrauen, alle Dinge zum Guten wenden wird. Diese Erfahrung durfte ich selbst bereits machen und deshalb: Habt Mut und betet!

In diesem Vertrauen auf Gott, den Hüter des Lebens, grüßt euch

Steffi Seiferlin

Angedacht: Zweifellos?

Foto: Jörg Lipskoch

Ein klarer Morgen im Januar. Die Wintersonne quält sich mühsam durch den morgendlichen Nebel über der Peißnitz und der Ziegelwiese. Auf dem Teich, aus dem im Sommer die Fontäne in den Himmel schießt, hat sich seit einigen Tagen eine Eisschicht gebildet. Sie treten an das Ufer heran: Ob das Eis trägt? Stabil sieht es ja schon aus. Ein paar Steine liegen auf der Eisfläche. Leute haben offenbar erfolglos versucht es einzuwerfen. Sind die Schollen auf der Oberfläche Splitter aus dem Teich oder haben Kinder sie aus den Pfützen gebrochen und aufs Eis geschmissen? Dort sind Kufenspuren zu sehen! Da scheint schon jemand auf dem Eis gewesen zu sein. Aber vielleicht war es nur ein leichter Mensch. Trägt das Eis auch mein Körpergewicht? Sie wagen den ersten kleinen Schritt. Hier am Rand wird es schon gehen und zur Not kann ich mich schnell retten. Das Eis hält. Sie wagen sich weiter hinaus. Schwankt da etwas? Und dieses Knacken, während Sie über das Eis schlittern, das klingt schon etwas bedrohlich. Doch mit jedem Schritt wächst das Vertrauen, das Eis ist dick genug. Am gegenüberliegenden Ufer traut sich bereits eine zweite Person auf den zugefrorenen Teich.

Die Familie pflegt den Jungen schon lange Jahre. Alles haben sie probiert. Jeden Arzt und jeden Quacksalber im Land aufgesucht, doch die Anfälle sind geblieben. Ein böser Geist ist in ihr Kind gefahren, sagen die Leute, da kann nur noch Gott helfen. Eine letzte Hoffnung bleibt: Seit einiger Zeit zieht ein Mann durchs Land. Jesus von Nazareth heißt er. Ihm eilt der Ruf voraus, ein Heiler von Gottes Gnaden zu sein. Mancher fragt sich gar: Ist er der Messias? Heute wurden seine Jünger im Dorf gesichtet. Der Vater fasst sich ein Herz und nimmt seinen Sohn bei der Hand. Auf dem Dorfplatz hat sich bereits eine Menge versammelt. Die Jünger können ihm nicht helfen. Der Geist scheint zu stark. Doch da kommt Jesus mit einer weiteren Gruppe heran. Jetzt oder nie. Dieser Mann ist seine letzte Hoffnung. Der Vater fleht Jesus an zu helfen. Als der sich seinen Sohn besieht, überfällt den Jungen ein erneuter Anfall. Verkrampft zitternd liegt er am Boden. „Jesus, wenn du kannst, so tu doch etwas!“ Doch der macht keine Anstalten zu helfen, meint stattdessen: „Alles ist möglich dem, der da glaubt.“ Da hält es der Vater nicht länger aus und schreit Jesus an: „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“

Die Eisdecke hält, auch mit zwei Menschen auf dem Teich. Doch was, wenn noch mehr kommen? Wird es reichen?

Der Junge ist geheilt. Der Anfall ist verklungen und Jesus richtet ihn aus dem Schlaf auf. Von jetzt an wird alles gut. Aber hält dieser Zustand an, oder kommt die Krankheit doch zurück?

Dass wir zweifeln, ob auf dem Eis oder Gott gegenüber, ist Teil unseres Lebens. In der Natur erweist es sich manchmal gar als nützlicher Instinkt. In unserer Beziehung zu Gott sind uns unsere Zweifel mal im Weg, mal führen sie uns in ein noch intensiveres Nachdenken und Gespräch mit ihm.

Ich wünsche uns einen produktiven Umgang mit unseren Zweifeln und ein hoffnungsvolles neues Jahr.

Ihr
Jakob Haferland

Angedacht: Erschienen ist mir – Gedicht zu Offenbarung 1,9-18

Erschienen ist mir,
schreib und sprich,
erschienen ist mir,
so schreibe und spreche ich,
zu den Sieben,
erschienen ist mir,
zu den Sieben
und allen anderen,
sieben als Vollzahl,
erschienen ist und spricht selbst,
ohne gleichen,
ist er,
ich bin es,
spricht er,
ohne gleichen,
einem Menschensohn gleich.

Hört und seht
wie er gleich einem Menschensohn,
so göttlich sein Glanz, sein Licht,
die Sonne, gülden, weiß wie Schnee,
er wie Gott,
gegürtet, geerdet, bis zu den Sternen,
hört und seht
das Brausen, wie Flügel, wie Wassermassen,
Stimme der Klarheit, ein Ton, ein Signal,
hört und seht
die feurigen Augen:
verzehrendes Feuer?
Liebesflammen?
Hört und seht
das Schwert, das Wort Gottes,
er selbst ohne gleichen.

Ich bin es,
spricht er,
der Erste und der Letzte,
ich mitten unter euch,
der Lebendige in eurer Mitte,
mitten unter euch Sieben,
der Lebendige unter euch allen.
Siehe, ich bin lebendig.
Hört und seht:
ihr seid lebendig,
lebendig wie ich,
ohne gleichen.

Dorothea Vogel