Foto: Lommatzsch/Heinze

Die Nacht hat sich bereits auf die Natur gesenkt. Der Mond bricht silbern durch das dichte Blätterdach der Baumriesen im kolumbianischen Dschungel. Zikaden und Frösche sind die Konzertmeister in der natürlichen Stille der Sierra Nevada de Santa Marta.

Zur viert sitzen wir auf niedrigen Holzbänken in der Unguma, einer rituellen Rundhütte, wie sie die indigenen Familien der Region seit Jahrhunderten nutzen. Ein knisterndes Feuer lässt unsere Gesichter hin und wieder aus der Dunkelheit aufleuchten. Mit einem Dank an die Mutter Erde, an den Himmel, an Opa Feuer und die Generationen, die vor uns gelebt haben, beginnt unser Familien-Mambeadero.

Es ist die Zeremonie des Wortes, welche in der Tradition der Huitoto täglich praktiziert wird. Hier werden Konflikte harmonisiert und geheilt. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott selbst war das Wort“, denke ich und gebe diesen Gedanken in die Runde. Pflanzliche Mittel begleiten das Ritual, wie das tiefschwarze Ambil, welches aus der Tabakpflanze gewonnen wird. In der Schwärze ist Licht gebunden. „Und das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat’s nicht ergriffen“, klingt in mir das Wort aus dem Johannesevangelium auf.

Wie von selbst entsteht ein heiliger Raum, der verbindet, das Leben feiert, Heilung ermöglicht. Warum sind wir hier? Was suchen wir und was will heil werden? Wofür sind wir dankbar, was will anders werden, was braucht Vergebung? Die Zeit scheint in der Ewigkeit des Moments aufzugehen. Wieviel Stunden haben wir gehört, geredet, geschwiegen? Es spielt keine Rolle.

Foto: Lommatzsch/Heinze

In der mündlichen Tradition der Kofane aus der Amazonasregion wird erzählt: Als die christlichen Eroberer die Bibel mitbrachten, hörten die indigenen Menschen nichts Neues. Sie brachten zum Ausdruck, dass Jesus bei ihren Vorfahren gewesen sei und sie gelehrt hat. Vielleicht waren uns deshalb verschiedene Gedanken in den Zeremonien vertraut, weil wir auf eine tiefe gemeinsame Erfahrung zurückgreifen.

Wir waren nur zu Besuch bei unserer Familie und haben eine unverhoffte Tiefe der Gottesbegegnung erlebt.

Eine Reiseimpression von Josefin Heinze und Daniel Lommatzsch