„Brannte nicht unser Herz, da er mit uns redete, als er uns die Schrift erklärte?“

(Lukas 24, 32)

Als nach dem Ostersonntag zwei Jünger nach Emmaus wandern, gesellt sich ein Mann zu ihnen, den sie später am Segenswort über dem Brot erkennen. Es ist Jesus. Sie erzählen ihm, wie verzweifelt sie über die Hinrichtung dessen sind, den sie als einen Propheten mächtig in Wort und Tat kannten. Der Fremde sagt zu ihnen: Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der Schrift von ihm gesagt war.

Und so haben Christen aller Zeiten mit der heiligen Schrift und ihren Zeugnissen versucht zu verstehen, warum Jesus am Kreuz gestorben ist. Doch es bleiben Fragen: Brauchte Gott dieses Leiden und diesen Tod oder sind andere die Urheber und der Grund?

Mit den Jahren meiner Tätigkeit als Pfarrer habe ich entdeckt, dass wir kein wichtigeres Zeichen besitzen als das Kreuz. Es durchkreuzt unsere Vorstellungen, es wird uns zur Last. Es fordert eine geistige Anstrengung. Das Kreuz ist der Eckstein, das Anstößige, das nicht unerklärt stehen bleiben kann. Doch das Kreuz ist eine Durchgangsstation, so wie Kreuzungen kein Aufenthaltsplatz sind. An einer Kreuzung müssen wir uns entscheiden, auf welchem Weg wir ans Ziel kommen. Am Kreuz ist es ebenso.

Glaube heißt, darauf zu vertrauen, dass Gottes Liebe bedingungslos ist. In den Heilungsgeschichten, den Gleichnissen und in der Zuwendung Jesu zu den Sündern leuchtet diese Botschaft hervor. Sie passte nicht zur herrschenden Theologie jener Zeit und sie passt ebenso wenig zu unserem Bedürfnis nach Strafe, Rache und Gerechtigkeit.

Wirklich Vergebung zu fördern und im eigenen Leben wahrhaftig zu gewähren, ist keine leichte Aufgabe. Für diesen Weg brauche ich die Liebe Gottes zu mir, mit meiner eigenen Biographie und Schuld. Gott will das Leben.

Leben nach biblischem Verständnis ist immer Leben in Gemeinschaft. Darin liegt aber auch unser Problem. Wie schwer ist es, einander auszuhalten und nach Verletzungen wieder aufeinander zu zu gehen? Unversöhntes Leben bleibt hinter dem zurück, was Gott für uns will. Deshalb ist der Kern der Frohen Botschaft: Gottes Vergebung, geschenkt in Jesus Christus. Die Vergebung kann und muss nicht erworben werden. Das zeigt Jesu Verkündigung, das beweist er durch sein Leben, Sterben und Auferstehen.

Diese Auferstehung ist das Siegel auf den Glauben und gleichzeitig ein Geheimnis.

Der Glaube ruft in die Gemeinschaft des Glaubens. So entsteht Kirche durch den heiligen Geist. Sie erinnert sich in Taufe und Abendmahl an ihren Herrn Jesus Christus und lässt sich rufen. Umkehr und Vergebung, Taufe und Abendmahl sind ein Dreierschritt. Das Abendmahl ist das Fest der Versöhnung und der Wegzehrung für den Gottesdienst in der Welt.

Taufe und Abendmahl haben ihren Ursprung im jüdischen Ritus. Das Leben schenkende und bedrohende Wasser ist eben auch Element der Reinigung. Der Wein ist Zeichen des Festes und des Blutes, das bei der Einsetzung des Passahmahls an die Pfosten des Hauses gestrichen wird und so dem Todesengel den Zutritt verwehrt. Das ungesäuerte Brot ist nicht vom alten Sauerteig der Vergangenheit belastet und ist Lebensmittel – Brot für die Welt. Es steht für Neuanfang mit dem Einzug in die Freiheit.

Jesus gibt diesen Zeichen im Abendmahl neue Aktualität. Sein vergossenes Blut macht unseren Blick frei für Gottes vergebende Liebe, die uns ewiges Leben schenkt. Sein schuldloses Leben ist Brot für die Welt und bringt wahres Leben. Um unserer menschlichen Verstockung Willen, stirbt Jesus am Kreuz. Nicht weil Gott es so will, sondern weil Gott erleidet, was wir ihm schuldig bleiben an Verantwortung, Demut, Barmherzigkeit und Einsatzbereitschaft für das Leben. Und er führt uns doch in die Freiheit.

Ihr Pfarrer Helmut Becker